»Prävention ist der beste Weg zur langfristigen Erhaltung der Hirnfunktion«, so lautet das Credo von Andrea Pfeifer. Die aus München stammende Pharmazeutin hat sich das Ziel gesetzt, das Behandlungsparadigma für neurodegenerative Erkrankungen zu verändern. Dafür hat sie vor rund 20 Jahren in der Schweiz das Biotech-Unternehmen AC Immune gegründet. Im besonderen Fokus stehen dabei zwei Krankheitsbilder, für die es bis heute keine krankheitsverändernden Therapien gibt: Alzheimer und Parkinson. Und für beide Krankheiten arbeitet das an der Nasdaq gelistete Unternehmen mit einem innovativen Ansatz: der Entwicklung von Impfstoffen, welche mit Hilfe einer aktiven Immunisierung den Verlauf signifikant bremsen oder den Ausbruch sogar verhindern sollen.

»Verlorene Gehirnzellen können nicht ersetzt werden, deshalb ist es umso wichtiger, diese zu schützen«, so Pfeifer. Der motorische und kognitive Verfall soll gar nicht erst stattfinden. Jetzt hat AC Immune eine Phase-2-Studie »VacSYn« seines Impfstoffs ACI-7104.056 gegen Parkinson gestartet. AC Immune befindet sich damit in der Spitzenposition bei der Entwicklung einer aktiven Immuntherapie gegen Parkinson. Das US-Unternehmens Vaxxinity hat im Frühjahr eine Phase 1-Studie mit einem Impfstoffkandidaten abgeschlossen.

Die Verabreichung an den ersten Patienten mit dem AC Immune-Impfstoff in der laufenden Studie ist vor Kurzem erfolgt. Nach der Injektion wurden keine Komplikationen beobachtet. VacSYn ist eine internationale Studie, die in klinischen Zentren in Spanien und Deutschland (Bochum, Kassel und Kiel) durchgeführt wird.Weitere Parkinson-Patienten werden bereits auf ihre Eignung, an der klinischen Studie teilnehmen zu können, untersucht. AC Immune ist zuversichtlich, dass die Rekrutierung der Studienteilnehmer für die erste Phase bis Ende 2023 abgeschlossen sein wird, so dass erste Zwischenergebnisse zur Sicherheit und Immunwirkung im ersten Quartal 2024 erwartet werden können.

Die Rolle des Alpha-Synuklein-Proteins

Fehlgefaltete Proteine, die sich im Gehirn der Betroffenen ablagern und zum Absterben und Funktionsstörung von Neuronen in einem Teil des Gehirns führt, gelten als wesentliche Verursacher von neurodegenerativen Erkrankungen. Im Fall von Parkinson wird dem Alpha-Synuklein-Protein dabei eine besonders wichtige Rolle zugeschrieben. Dies ist für das Bilden von Dopamin verantwortlich, dem chemischen Stoff, der Bewegungen koordiniert. Fehlfaltungen und Aggregationen sorgen für einen Rückgang in der Dopaminproduktion, was die für die Erkrankung typischen motorische Symptome wie Zittern, Langsamkeit, Steifheit sowie Gleichgewichts- und Gehprobleme verursacht.

Das Verhindern der Klumpenbildung bzw. das Beseitigen vorhandener Ansammlungen der fehlgefalteten Proteine sind daher wichtige Ansatzpunkte beim Entwickeln von Therapien zur wirksamen Behandlung von – oder Prävention gegen »Synucleinopathien« wie Parkinson oder der seltener auftretenden Multisystematrophie (MSA). Dabei gibt es potenziell den Weg eines von außen injiziertem, monoklonalem Antikörpers oder die aktive Immunisierung mit Hilfe eines Impfstoffs.

AC Immune sieht in Impfstoffen erhebliche Vorteile gegenüber monoklonalen Antikörpern. Impfstoffe regen das Immunsystem des Patienten an, damit es selbst Antikörpern produziert. Sie sollen eine langanhaltende Immunantwort und eine einfachere Anwendung (1–2 x pro Jahr) bieten – extern generierte monoklonale Antikörper müssen alle zwei bis vier Wochen verabreicht werden –, sind logistisch besser zu handhaben und kostengünstiger. Zudem führen sie zu einer sichereren und besser verträglichen Antikörper-Reaktion. »Impfstoffe sind vermutlich die einzige realistische Option zur globalen Prävention neurodegenerativer Erkrankungen«, so Andrea Pfeifer.

Frühzeitige Diagnose und Therapie entscheidend

Wichtige Voraussetzung für die effektive und rechtzeitige präventive Behandlung mit Impfstoffen ist die frühzeitige und korrekte Diagnose. Untersuchungen, bei denen kein Gewebe verletzt wird und die nötigen Instrumente nicht in den Körper eingeführt werden müssen, sind elementar für das Erkennen und Überwachen der Erkrankung – wie auch für das Durchführen der Studien. Eine zuverlässigere Diagnose ist zum einen Voraussetzung für die richtige Auswahl der Teilnehmer und zum anderen für das Interpretieren der Studienergebnisse. Sind die Impfstoffe einmal im Markt, könnte die frühzeitige Diagnose und das präventive Behandeln von Risikogruppen den Ausbruch der Krankheit verhindern oder zumindest verzögern

2022 hat AC Immune zusammen mit Dr. Ruben Smith vom Skåne University Hospital in Schweden auf der AD/PDTM-Konferenz in Barcelona mit einem ersten Tracer zum effektiven Nachweis von Alpha-Synuklein im menschlichen Gehirn einen möglichen Durchbruch vorgestellt: Ein Bildgebungsverfahren mit dem PET-Tracer ACI-12589, das nicht-invasiv und krankheitsspezifisch Ablagerungen des Proteins alpha-Synuclein (a-Syn) im Hirn von Patienten erkennt, die an Multiple-System-Atrophie (MSA) erkrankt sind. Diese Entwicklung wurde von der Michael J. Fox Foundation unterstützt.

Informationen zur Studie und über die Möglichkeiten einer Teilnahme werden in Kürze auf der CTIS-Seite der Europäischen Union veröffentlicht. Einen ausführlichen Beitrag über den Stand der Entwicklung von aktiven Immuntherapien gegen Parkinson wurde  im April auf dem Portal Labiotech.eu veröffentlicht.

Fotos: AC Immune